Auswahl des Richtigen Werkzeugstahls

15 April 2020 at 23:46

Guten Tag,


ich bin auf der Suche nach dem "besten" Werkzeugstahl um Messer für Höbel und Stemmeisen (die nicht mit dem Hammer geschlagen werden) zu machen. Mir ist klaar, dass auch das richtige Härten des Stahls eine zentrale Rolle spielt, für das habe ich einen Ofen mit genauer Temperatursteuerung zur verfügung (den habe ich mal für ein anderes Projekt gebaut).

Jeder, der viel Holz mit Handwerkzeugen bearbeitet und die Werkzeuge auch selber schleift kennt die riesigen Unterschiede zwischen verschiedenen Werkzeugstählen. Leider weiss man aber nie genau aus welcher Legierung das Werkzeug wirklich besteht...
Viele moderne schneiden von Handwerkzeugen zur Holzbearbeitung sind aus einem zu harten Stahl (oder zu niedrig angelassen?), und werden dadurch meist durch Ausbruch der meist ziemlich dünn angeschliffenen Schneide stumpf.
Die "guten" stähle sind nicht zu hart, haben gute federnde eigenschaften, lassen sich sehr gut rasiermesserscharf schleiffen, rosten schnell und sind ziemlich empfindlich auf Wärmeeinwirkung beim Schleiffen. Bekannt sind vor allem alte Stähle, insbesondere Schwedsche.
Ich habe nun ziemlich viel recherchiert, was ich herausgefunden habe treffen diese Eigenschaften am ehesten auf un- oder niedriglegierte Carbonstähle mit hohem Kohlenstoffgehalt zu. Wie seht ihr das?
Vielleicht hat jemand von euch eine Idee welchen Stahl ich am ehesten ausprobieren soll...
Ich bin ziemlich schnell auf diese Stähle gestossen, aber man findet leider nur sehr wenige Beschreibungen zu den Eigenschaften: 1.1545, 1.2414, 1.1274
Ich habe noch einige Stücke 1.2842 herumliegen, den werde ich auch mal ausprobieren.

Grüsse,

Elias

Last edit: 15 April 2020 at 23:50, Elias
17 April 2020 at 16:48

Hallo Elias,

ich bin ein Hobby-Messermacher und das seit 2018. Mittlerweile habe ich ca,

170 Messer gefertigt,

Meine bevorzugten Messerstähle sind :

1.3505 bzw. 100Cr6  Kugellagerstahl

1.2842 bzw. 90MnCrV8  der Lieblingsstahl der Werkzeugmacher, d.h. niedriglegierter Werkzeugstahl

1.2442 bzw. 115W8 Wolframstahl , wird von Jägern sehr geschätzt da bis 63 HRC härtbar, hat lange Standzeiten

1.4153,03 Niolox  bzw. SB1 , ist nahezu rostfrei bzw, rostträge und hat seine Vorzüge bei 61 HRC, lässt sich 

schlecht härten (unter Schutzgas, Tiefkühlung auf minus 90 Grad)

alte Markenfeilen oder Hufraspeln , 1.2714 bzw. 56NiCrMoV7 für Haumesser etc.

Takefu Suminagashi (japanischer Mehrlagenstahl), Damasteel,  DSCinox von Balbach, selbstgeschmiedeter Damast 

aus 1.2842 und  75Ni8.

Gruß Bernhard

 

Man muß Gott danken, auch für einen Unterfranken.

18 April 2020 at 00:11

Vielen Dank,

ich werde wohl nicht ums probieren herum kommen...
Ich probiere auch mal bei Werkzeugherstellern nachzufragen, was sie für Stähle verwenden, aber vielleicht ist das auch ein Geheimnis (wobei wenn man unbedingt möchte, kann man ja einfach den Stahl vom Werkzeug analysieren...).

LG
Elias

18 April 2020 at 10:53

Moin,

auch ich mache seit über 10 Jahren Messer und kann sagen: den" Besten" Stahl für Klingen gibt es so nicht. Ein robustes Outdoormesser, das auch mal Holz spalten soll braucht wohl einen anderen Stahl als z B ein dünnes Filetiermesser.

Anfangs habe ich für Klingen alles genommer was sich leicht härten liess. Mittlerweile nehme ich für Damastklingen 1.2842 und 1.2767, da weiß ich daß es mit dem verschweißen klappt. Monoklingen aus c 60 gehen gut, c 100 hatte ich auch schon, der neigt aber bei niedrigem Anlassen zu Ausbrüchen. Für viele Klingen nehme ich immer noch gerne Blattfedern, da liegt man gut im Mittelfeld.

Ich habe mal in einem Fachbuch gelesen, daß der "beste" Stahl für Klingen Kugellagerstahl sein soll. Habe damit aber noch nie gearbeitet.

Schmiedeglut hat übrigens jetzt sehr interessante Videos bei YT in denen Messerstähle und auch die Formgebung sehr anschaulich erklärt wird.

Das kann weiterhelfen.

Volker

18 April 2020 at 12:23

Hallo,

Kugellagerstahl für eine Messerklinge ist optimal.

Ich schmiede aus Kugellager-Außenringe immer mal wieder welche.

Das Schmieden ist nicht so einfach. Das Härten ist aber handhabbar.

 

Gruß

Bernhard

 

Man muß Gott danken, auch für einen Unterfranken.

18 April 2020 at 16:31

An deiner Stelle würde ich mit einfachen Stählen anfangen d.h. C75, 80CrV2, Kugellager und schauen, ob sich damit bei ordentlicher Wärmebehandlung nicht schon die gewünschten Ergebnisse erzielen lassen. Hier wird, so vermute ich, in der Serienproduktion gerne mal gepatzt. Falsch oder gar nicht normalisiert, beim Härten überhitzt, unzureichend angelassen. Folgen sind Grobkorn, Korngrenzenzementit, Restaustenit oder überschüssiger Martensit. Da gibt es grade wenn man einen einstellbaren Härteofen hat jede Menge Verbesserungsmöglichkeiten.

Wolframlegierte Stähle (1.24xx-25xx) sind extrem verschleißfest, Nickellegierte sind extrem zäh d.h. resistent gegen Ausbrüche (Bandsägenstähle z.B. 75Ni8/15N20 oder 50NiCr13). Bestimmte legierte Stähle wie 13C26/AEB-L oder 3V bieten einen Kompromiss aus beiden Eigenschaften, sind aber teuer, teilweise schwer zu bekommen und in der Wärmebehandlung aufwändig da sie tiefgekühlt werden müssen.

 

20 April 2020 at 10:12

Danke für die Beiträge,

ich werde mal verschiedene Sachen ausprobieren. Ich habe auch bei einem Messerschmied nachgefragt, der gute Stähle für Schnitzer anbietet, aus welchem Werkstoff er diese macht. Vielleicht bekomme ich dort noch mehr Informationen.

Grüsse,

Elias

 

18 January 2024 at 22:06

zu 80CrV2:

https://www.jstage.jst.go.jp/article/isijinternational/62/11/62_ISIJINT-2022-245/_html/-char/en

Dieser Stahl scheint bei der Wärmebehandlung mit einfachen Mitteln (also auch bei nicht ganz optimalen Parametern, z.B. leichtes Überhitzen) sehr gutmütig zu reagieren.

 

Es ist besser ein kleines Schmiedefeuer anzuzünden als die Dunkelheit zu verfluchen!
24 January 2024 at 09:15
Sascha, January 18, 2024 at 9:06 PM

zu 80CrV2:

https://www.jstage.jst.go.jp/article/isijinternational/62/11/62_ISIJINT-2022-245/_html/-char/en

Dieser Stahl scheint bei der Wärmebehandlung mit einfachen Mitteln (also auch bei nicht ganz optimalen Parametern, z.B. leichtes Überhitzen) sehr gutmütig zu reagieren.

 

noch ergänzend: Ich habe ein Schnitzmesser mit Schneidlage aus 80CrV2 geschmiedet. Das erscheint mir deutlich schnitthaltiger als Klingen die ich aus Kugellagerstahl geschmiedet habe. Die "Rasierschärfe" bleibt beim Schnitzen deutlich länger bestehen. Das ist natürlich nur eine subjektive Einschätzung. Mich hat das überrascht, da ich davon ausging, dass der Kugellagerstahl den 80CrV2 übertreffen würde. Ich habe mir das nun so erklärt, dass mir eine gute Wärmebehandlung des Kugellagerstahls nicht gelungen ist und somit das Potential nicht ausgeschöpft wurde. Der 80CrV2 scheint mir in dieser Hinsicht viel einfacher handhabbar. Die verlinkte Arbeit scheint das ja zu stützen.

Hat jemand vielleicht ähnliche Erfahrungen machen können?

Es ist besser ein kleines Schmiedefeuer anzuzünden als die Dunkelheit zu verfluchen!