Lehrbeispiele gibt es viele. Oftmals mit Tinte und Feder zu Papier gebracht. Die Besten schreibt jedoch das Leben. Erfahrung sammeln heißt erfahren. Zwischen Kritik/Urteil und Lob/Anerkennung können nicht nur Welten sondern auch Generationen liegen.
Philosophisch gesehen (Anne-Barb Hertkorn) ist Kritik „eine Grundfunktion der denkenden Vernunft und wird, sofern sie auf das eigene Denken angewandt wird, ein Wesensmerkmal der auf Gültigkeit Anspruch erhebenden Urteilsbildung."
Toll, in meinem Lehrbeispiel heißt das: „mit dem Arsch ins Gesicht fahren" (österr. Ausdrucksweise für eine ablehnende Haltung).
Wenn in meinem Fall, ein Schmiedemeister einen Nachfolger für seine ehrenamtliche Tätigkeit in einem Museum sucht wird der Unterschied, Schmiedemeister und Angelernter ganz schnell deutlich.
Im Beisein der der Museumleitung spricht der Schmiedemeister zum Angelernten nur in der dritten Person. „Der kann nix". „Der ist ja nur ein Angelernter". Persönlich bin ich für den Schmiedemeister gar nicht anwesend. Endlos lange Monologe des Meisters über Seinesgleichen und Gesellen. Geschichtlich komme ich zwar vor (ungelernte in der Schmiede z.B. Zuschläger), aber als „dritte Person" bin ich im wahrsten Sinne des Wortes garn nicht anwesend.
„Mein Wissen geb ich nicht her".
Wo das hinführt ist geschichtlich nachzulesen.
„Wenn er die Esse anheizen kann..., das soll er mir mal zeigen" (alte gemauerte Esse mit Blasebalg)
„Und wenn er einen Nagel schmieden kann... einen Nagel muss man schmieden können, das ist nicht so einfach... dann kann er was".
Am richtigen Fuß erwischt, Herr Schmiedemeister. Sind doch Nägel eines meiner Steckenpferde. Frisch aus dem Büro im blauen Hemd und heller Hose, heiz ich ihm die Esse an. Im wahrsten Sinne des Wortes, begleiten atemberaubende Monologe des Meisters mein Tun. Nicht mein Hammer, das Nageleisen ein Dreck aber ich mach das. Ich lauf jetzt nicht davon. Ich kann was Herr Schmiedemeister und den „Tribut" zollst du mir jetzt. Still wird es. Ich nehm das Eisen aus dem Feuer. Unnatürlich still ist es. Technisch perfekt schmiede ich den Nagel, na ja nicht mein Werkzeug.
„Passt schon" spricht der Meister. Ich erwarte nicht mehr Lob. Die Tiraden gehen weiter und enden in einer glorreichen Idee: „er solle die betagten Gäste ins Besucherzentrum zurückführen".
Nun, fachlich mich in eine Ecke zu stellen ist eine Sache, mich jedoch aber so respektlos zu behandeln eine Andere.
Dieses Vorführen, diese Tiraden über „Angelernte" sind kein Einzelfall. „Die Tür vor der Nase zuschlagen"..."Mein Wissen gehört mir" etc., naja ich hätte es eigentlich wissen müssen.
Ich muss jetzt hier nicht aufzählen was ich kann. Es gibt viel das ich nicht kann. Ich betreibe das Schmieden als Hobby, Idealismus pur. Möchte das Wissen aufsaugen, weitertragen, -bewahren und geben.
Aus Rücksicht auf sein Alter und weil er als Schmiedemeister meine Anerkennung hatte – 60ig Jahre Berufserfahrung kann man nicht einfach streichen – blieb ich höflich und respektvoll.
Muss ich den Schmiedemeister machen um mich auf die Stufe Seinesgleichen stellen zu dürfen? Muss ich den enormen Zeitaufwand und die tausenden Euro investieren um vom gelernten Kaufmann zum Schmiedemeister zu werden? Und das alles nur um Anerkennung vom Fach zu bekommen?
NEIN!
An alle Schmiedemeister, die dieses Lehrbeispiel leben!
Behaltet euer Wissen, nehmt es mit. Ich bin im Selbststudium so weit gekommen, habe soviel Liebe und Zeit geopfert, eine Schmiede gebaut und aus kompletter Unwissenheit im Rahmen des Möglichen, beachtliche Schmiedefähigkeiten entwickelt.
Ich dreh den Spieß um. Wenn es so sein soll, dann werde ich gefunden. Auf die Suche nach euch Schmiedemeister begebe ich mich nicht mehr.
Genug mit dem „Arsch ins Gesicht fahren".
Ich mache es jetzt mal anders, ganz nach Götz von Berlichingen:
„Er aber, sag's ihm, er kann mich mal im Arsch lecken!"