Grabmal für einen Körperspender - Ein Studienprojekt

10. Juli 2018 um 22:20

Hallo Leute,

hab mir vorgenommen im Sommer euch ein paar Dinge zu zeigen, was bei mir unterm Jahr in Schweden so passiert ist!

Wie manche von euch ja wissen studiere ich Metal Art an der HDK Steneby (Universität Göteborg)

 

Das letzte große Projekt im Ersten Jahr ist seit einigen Jahren der Grabmal-Kurs. Man hat 8 Wochen Zeit um sich intensiv mit den Themen Tod, Friedhof, Beerdigung, Grab/Denkmäler zu befassen. Das Ziel des Kurses ist die Entwicklung, Fertigung und Montage einer zeitgenössischen Interpretation eines Grabmals für einen kleinen "Skulpturenpark" auf dem Friedhof Håjum in Trollhättan. 

 

Mein Grabmal für den Skulpturenpark der zeitgemäßen Grabmäler am Friedhof Håjum in Trollhättan (Schweden) behandelt das Thema Körperspende.

Die Spende der sterblichen Überreste an die Wissenschaft, gewährleistet die Ausbildung zukünftiger Ärzte und dient der Forschung und Weiterentwicklung der modernen Medizin.

 

Hintergrund

Durch Medizinstudenten im Freundeskreis, führte ein Gespräch über Anatomiekurse zu der Frage wie man eigentlich seinen Körper der Wissenschaft spendet. Daraufhin habe ich beschlossen mich bei diesem Projekt näher mit dem Thema zu befassen.

 

Wie Körperspende funktioniert, am Beispiel Österreich:

Die zuständige Behörde für Körperspenden in Österreich ist das Zentrum für Anatomie und Zellbiologie an der Medizinischen Universität Wien. Als Spender geht man einen Vertrag ein, welcher der Med-Uni die Abholung und Benützung des Körpers nach dem Tod, bis zu einem Zeitraum von 3 Jahren erlaubt. Anschließend werden die sterblichen Überreste kremiert und anonym in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof bestattet. In Österreich ist die Körperspende nicht gratis, der Vertrag ist nur gültig durch einen Kostenbeitrag von € 990,- (zum Vergleich: ein einfaches Begräbnis startet bei ca. € 5000,-).

Zu Lebzeiten ist es jederzeit möglich, ohne Angabe von Gründen, vom Vertrag zurückzutreten, im Todesfall ist es als Angehöriger nicht möglich die Spende zu verhindern. Es wird empfohlen die Angehörigen noch vor Vertragsabschluss ausreichend zu informieren.

 

Entwurf – Verlauf – Design

Aufgrund des Fehlens jeglicher spiritueller oder religiöser Symbolik in diesem Thema, wollte ich von Anfang an klare geometrische Formen verwenden. Die einzige Symbolik welche ich während meines „sketch-process“ finden konnte, war die Geste des Dienens, des Lehrens und des Gebens. Also die selbstlose Spende seines ureigenen menschlichen Körpers, nur um zukünftige Ärzte zu lehren und um damit zukünftigen Generationen zu dienen.

Dieser Gedanke führte mich zu der Idee eines „Hauptkörpers“, von welchem ein klar definierter Teil weggeht, sich trennt, beziehungsweise wegschwebt. Sozusagen der „Hauptkörper“ als die Person, oder das Leben, von der/dem ein Teil weitergegeben wird – über den Tod hinaus. 

Die Grundform meines Grabmals ist ein gerader quadratischer Pfeiler, welcher durch einen schrägen Schnitt in Ober- und Hauptteil getrennt ist. Ein klarer Kontrast wurde nicht nur durch den Aufbau der beiden Teile, sondern auch durch die Materialwahl, beziehungsweise die Oberflächenbehandlung gesetzt.


Der Hauptkörper ist eine glatte hohle Corten-Stahl Konstruktion, welche bereits durch die Rost-Patina gealtert erscheint, aber durch die wetterbeständigen Eigenschaften ohne weitere Instandhaltung viele Jahre halten wird.

Der Oberteil ist ein komplexes Baustahl-Gebilde, dass aus 3 Schichten flacher und gebogener Blechteile besteht, die durch einfache geschmiedete Distanznieten zusammengehalten werden. Mit Graphit-paste abgedunkelt und mit Owatrol-Öl konserviert, bleibt der Oberteil einige Zeit lang schwarz – wird dann aber zu Rosten beginnen. Nach einigen Jahren wird sich der Oberteil farblich an den Hauptteil angeglichen haben.

 

Während der einfache, schmucklose und rostige Hauptkörper das vergängliche Leben repräsentiert, steht das komplexe Gehirn für die sterblichen Überreste, welche immer noch der Wissenschaft, Forschung und Ausbildung dienen können.


Die Wörter “EVEN IN DEATH DO WE SERVE LIFE” (Noch im Tod dienen wir dem Leben) sind übersetzt vom lateinischen “Mortui Prosumus Vitae”. Eine Inschrift welche öfters für allgemeine Körperspender-Denkmäler auf Universitäten oder anderen medizinischen Einrichtungen verwendet wird. Die englische Schreibweise wurde verwendet wegen der besseren Verständlichkeit und aus Formatierungsgründen. Außerdem wurden manche Buchstaben vereinfacht/reduziert wegen dem Wasserstrahlschneidprozess und um den Text besser ins gesamte Erscheinungsbild des Grabmals einzufügen.

Kontext 1

Das Grabmal ist ein persönliches Grabmal für jemanden der seinen Körper der Wissenschaft gespendet hat, aber die Asche ist zum Beispiel in einem Massengrab in Wien beigesetzt – vielleicht weit weg von Zuhause und den Verwandten. Das Grabmal kann auf einem Friedhof oder einem anderen persönlichen Platz aufgestellt werden, wo Verwandte und Freunde es besuchen und den Verstorbenen in Erinnerung halten können. Name und Geburts-/Sterbedatum können aus dem Corten-Hauptkörper geschnitten werden, wie die Inschrift.

Kontext 2

Das Grabmal, wie es im Moment am Friedhof Håjum in Trollhättan steht, ohne jegliche Personalisierung, ist ein allgemeines Denkmal für alle Körperspenderinnen und Körperspender.


 

Dem Andenken jener Frauen und Männer, die nach ihrem Tode

dem Studium künftiger Ärzte und damit dem Allgemeinem Wohl gedient haben.    

 

In memory of the women and men who donated their bodies

for the studies of future doctors and thereby served the common good.


/Johannes Postlmayr, Mai 2018

"A dream you dream alone is a dream. A dream you dream together is reality"
John Lennon

Zuletzt bearbeitet: 10. Juli 2018 um 22:26, Johannes Postlmayr
11. Juli 2018 um 22:24
Lieber Johannes,
vielen Dank, dass Du der Fachöffentlichkeit Dein sehr interessantes Projekt vorstellt. Es ist sehr schön, dass Ihr durch dieses Kunstobjekt diesen Körperspendern eine angemessene Aufmerksamkeit zukommen lasst.
Ich hoffe, Du hast das Thema nicht zu sehr verinnerlicht und bleibst uns noch eine Weile erhalten!
Glück Auf!
Folgt PARX auf Instagram https://www.instagram.com/parxforging/
Zuletzt bearbeitet: 12. Juli 2018 um 23:20, PARX
12. Juli 2018 um 10:42
Gefällt mir sehr sehr gut, Da kommt ja glatt Interesse an deinem Studiengang auf ;D
Auf jeden Fall eine schöne Sache.
VG, Edgar
12. Juli 2018 um 16:29
Hey, sieht sehr gut aus! Bestaune die Genauigkeit. 
Was studierst du denn? 
Liebe Grüße
Christoph
12. Juli 2018 um 18:46
Hallo Johannes,
vielen Dank fürs Teilen!
Ich mag deine Interpretationen sehr, auch schon die mit den Würfeln, wo aus Ordnung Chaos wird...
Normalerweise pflege ich zu sagen: "Kunst kommt nich von Können" was in deinem Fall aber definitiv nicht zutrifft.
Wurden auch die Baustahlbleche mit Wasserstrahl geschnitten? Mit Löchern für die Nieten oder ohne? Hast du die Nieten abgedreht oder beidseitig Absätze geschmiedet?
Gibt es einen Link zu deiner Hochschule wo auch die Werke deiner Kollegen gezeigt werden? Auch das würde mich interessieren.
Wie gehen andere mit den Themen um und was kommt dabei heraus?...
Danke!
Grüße nach Göteborg
Ramon
12. Juli 2018 um 22:27

Danke für die netten Worte!

keine Angst Olaf, so schnell werdet ihr mich nicht los :) 

ich finde diese Form der Bestattung einfach auch sehr interessant und sinnvoll, und ziehe sie auch für mich selbst in Betracht - nur fehlt mir als Student gerade auch das nötige Kleingeld für so eine "Investition"...

 

zu den Fragen zum Studium:

Ich mache gerade das 3-jährige BfA programme (Bachelor of Fine Arts) in Metal Art and der HDK Steneby (Högskolan för Design och Kunsthandveerk, Teil der Universität Göteborg).

Unterrichtssprache ist grundsätzlich Englisch, wie auch die Infos zum Studium hier: HDK Steneby - BfA METAL ART

Aktuelles und Arbeiten anderer Studenten findet ihr auch auf der Facebook Seite und auf Instagram 

 

Auf der Biennale der Schmiede vom 2.-5. August in Kolbermoor werde ich einen Vortrag über die verschiedenen Programme in Steneby halten und Studenten-Arbeiten zeigen, und gerne alle Fragen beantworten!

(Ich werde noch einen eigenen Einladungs-beitrag mit mehr Infos erstellen...)

Darüber hinaus ist die Austellung "Nordland-Studie" mit Arbeiten von Studenten und Lehrern im Rathaus in Kolbermoor den ganzen Sommer zu sehen!

 

Zu den technischen Fragen:

dadurch dass ich den Oberteil mithilfe von Papier und Karton Modellen entworfen habe, und die Größe und Komplexität überschaubar war entschied ich mich für den analogen Weg - bei Größer und Komplexer wäre natürlich ein CAD-Modell und Wasserstrahl/Laser Schneiden sinnvoller gewesen!

Also die Blechteile sind außen einfach analog an der Tafelschere geschnitten, und Innen hab ich an der Stanze mit einem 25mm Quadrat-Stanzwerkzeug ausgeklinkt, in den scharfen Ecken halt mit Bügelsäge und Feile nachgearbeitet...

Als Freund der Präzession habe ich die Absätze an den Distanznieten gedreht, auch weil die Menge von ca. 30 Stück ein überschaubarer Aufwand an der Drehbank war - bei einer höheren Stückzahl würde ich den Weg des Gesenkschmiedens nehmen, also ein Kluppenwerkzeug fertigen, bei dem ich beide Absätze in einem Arbeitsgang Schmieden kann - der relevante dickere Mittelteil ist immer gleichlang, die dünneren Enden würden anschließend auf Maß getrimmt...

 

Vielleicht trifft man sich in Kolbermoor!

Johannes

 

 

"A dream you dream alone is a dream. A dream you dream together is reality"
John Lennon

31. Juli 2018 um 13:54
Hallo Johannes,

jetzt komme ich endlich auch mal dazu dir eine Antwort auf deinen Beitrag zu schreiben:
Gratulation für diese tolle Arbeit!!

Ich finde du hast dir da ein sehr interessantes Thema rausgesucht und die Sache toll umgesetzt.

Ich muss sagen wenn ich die Arbeit auf einem Friedhof sehen würde, wüsste ich nicht direkt dass es sich um ein Mahl für Körperspender handelt, aber das ist ok.
Ich finde auch generell zum Thema Tod/Friedhof würde die Arbeit passen. Der Bezug zur Körperspende ist sozusagen eine Erweiterung.
Der Kontrast zwischen den beiden Teilen der Skulptur löst bei mir verschiedene Assoziationen aus. Etwas das sich löst und in eine andere Welt übergeht. Oder aber auch etwas was nach dem Tod bleibt und auf seine Art fortbesteht. Hier könnte man neben dem Lebenswerk was jemand Geschaffen hat, einer (Körper-)Spende, oder Erinnerungen usw. tatsächlich auch an die Knochen denken, die übrig bleiben und fortbestehen. Die klaren genieteten Streben als Knochen die übrig bleiben während das (Rost-)rote Fleisch langsam verschwindet.

Ich hab tatsächlich lange vor den Bilder gesessen und mich in die verschiedenen Richtungen mal reingedacht. Die klare ruhige Formensprache gefällt mir gut im Zusammenhang mit dem Tod.


Also vielen Dank fürs Zeigen!

Und ich seh schon, ich muss dich da oben mal besuchen kommen. ;)

Gruß
Willi
www.schmiedekunst-weyer.de
Zuletzt bearbeitet: 31. Juli 2018 um 14:00, Wilhelm Weyer
31. Juli 2018 um 15:03
Ich komm mit! Wir bringen auch Bier mit!
Zuletzt bearbeitet: 31. Juli 2018 um 15:06