Feste mittelalterliche Schmiede bauen.

14. April 2014 um 12:26

Hallo alle miteinandern,

voreilig wie ich bin, bewerfe ich euch gleich mal mit meinen Fragen, oder erstmal der "Situation":

Für das Live Action Role Playing (LARP)-Event "Epic Empires" wird überlegt auf dem Utopion Gelände in Bexbach eine fest Schmiede zu bauen. Fest heißt in diesem Falle:

Hölzernes Caport oder ähnliche Überdachung
Gemauerte Esse
Fest montierter Amboss?

Das Caport wollte ich mal außen vor lassen. Viel interessanter finde ich die Esse. Hier wollte ich euch mal fragen, ob es bei einer gemauerten Esse (soweit ich weiß haben die immer nen seitlichen Lufteinlass?) irgendwelche Vor- oder Nachteile  gegenüber der berühmte gusseisernen Feuerschale mit Schlackebrecher gibt. Die Herren und Damen denen diese Idee entsprungen ist, würden gerne eine herrausnehmbare Feuerschale haben um diese besser reinigen zu können. Aus meiner Sicht ist das völliger Quatsch, da nen Besen doch einfach reichen sollte. Habe noch nie eine herrausnehmbare Feuerschale gesehen ... 
Des Weiteren zeigt sich eine Tendenz zu "mehr Funktionalität" anstatt 100% Authentizität. Meine Frage hierzu wäre sowieso mal: Ist Schmiedekohle überhaupt authentisch? Die Frage tut sich mir auf, da ich in meiner Schamottesse unglaubliche Schlackeprobleme habe, die ich bei Backstein vielleicht nicht ganz so schlimm, aber trotzdem erwarte. Bei mir sind schon 2 von den 15 Luftlöchern dicht. Droht sowas einer gemauerten Esse wenn da drinne mit Schmiedekohle gearbeitet wird? Wäre das ein Argument für die Feuerschale mit Schlackebrecher?

Last but not least wollte ich fragen, wie es mit Blasbälgen und Schmiedekohle aussieht. Habe anhand von Bildern hier aus dem Forum meinen Blasbalg gemacht (grob ca. 100cm x 40) und komme mit dem alleine und nem sehr kleinen zweiten bei Holzkohle tatsächlich auf Schweißtemperatur. Mit nem zweiten ist das gar kein Problem. Aber reicht so eine Konstruktion noch aus um auch Schmiedekohle zu befeuern oder ist das der Grund, warum auf Mittelaltermärkten häufig diese RIESEN Blasebälge auftreten?

So dann mal auf an die Tasten meine lieben Mittelalterprofies. Freu mich auf eure Ratschläge und Ideen!

14. April 2014 um 17:45
Ist Schmiedekohle überhaupt authentisch?

Definitiv nein! Bis zum Beginn der Industriealisierung wurde ausschliesslich mit Holzkohle geschmiedet!

Gruß,

DerSchlosser
Ein Hoch dem ehrbaren Schmiedehandwerk!
14. April 2014 um 20:38
Hi Lenni,
ich habe auch eine gemauerte Esse aus Schamottsteinen.
Holzkohle geht super, Schmiedekohle gar nicht wegen der Schlacke.

Grüße

Jörg
28. April 2014 um 13:14

Ahhh sehr gut. Das klingt ja sogar nach der nötigen Mobilität. Dann muss ich nicht immer nen Holzklotz mitschleppen . Und ich versteh vorallem endlich mal diese merkwürdige Form mancher Dorne.

Werds wohl erstmal mit den Keilen probieren und wenn ichs nicht gebacken bekomme einbrennen. Danke für die Tipps ;)

15. April 2014 um 12:17
Moin,
wenns wiklich eine mittelalterliche Esse sein soll,
dann ist eine Seitenwindesse mit zwei separaten Bälgen mit Wippe angesagt (für das Frühmittelalter ohne Wippe).
Alles andere ist unter historischen Gesichtspunkten Murks (Feuerschüsseln aus Metall sowieso).
Brennstoff ist Holzkohle, wie schon angeführt. Allerdings sei erwähnt, dass es einen Beleg aus dem ausgehenden Hochmittelalter aus Stralsund für die Verwendung von Steinkohle in einer Ankerschmiede gibt. PDF
Das ist meines Wissens aber die absolute Ausnahme.
Hier noch zwei Bilder für Schmieden:
Holkham Bibel
Konrad Seusenhofer (allerdings schon eher Renaissance, dafür ist sind die Bälge aber schön zu sehen)
Denkt bei einer mittelalterlichen Schmiede Schmiede auch an den/die Ambosse, modernes Zeug passt da schlicht nicht zu.
Gruß,
Timm
28. April 2014 um 23:03
Backsteine und Lehm. Regelmäßige Reparaturen fallen eh an.
Den Lahm nicht zu fett, gut mit Sand und Strohhäcksel oder getrockneten Pferdeäpfeln magern.
15. April 2014 um 18:20

Super! Vielen Dank dafür! Denke grade auch eher wieder daran, dass bei so einer Aktion Authentizität doch wichtiger als Effektivität ist. Das mit der Schmiedekohle schafft dann ja auch die Probleme aus dem Haus.

Als Amboss habe ich hier noch ein altes Sperrhorn mit zwei rundhörnern. Ist nicht sonderlich groß (so 10 -15kg), aber sollte doch authentisch sein oder? Frage ist nur ob ich das nicht lieber eigennütziger Weise für mich behalten wollen würde. Auf jedenfall habe ich den Punkt bei den Damen und Herren schon angebracht und hoffe auf Gehör gestoßen zu sein.

Das mit den Bälgen sieht ja interessant aus. Die Wippe verstehe ich nur noch nicht ganz. Ist der große Balken fest und nur der Querbalken und der .... ich nenns mal "Bedienbalken" sorgen dafür, dass die Bälge abwechselnd blasen? Sind die noch irgendwie fixiert?

30. April 2014 um 20:07
Aber Stahl kann man doch verbrennen
15. April 2014 um 20:33
Moin,
die Seitenwindesse ist ein jahrhunderte, nein jahrtausende altes, sehr gut funktionierendes System, das noch bis in dieses Jahrhundert hinein genutzt wurde. Soweit zum Thema Effektivität, wer sich damit rausredet, hat in der Regel bloß keinen Bock auf Recherche
Zumindest fürs FMA sind Sperrhörner belegt, später meine ich auch, bin mir da aber nicht zu 100% sicher. Ein Blockamboß wäre so oder so eine gute Wahl, sowas ist durchaus immer mal wieder zu bekommen.
Bezüglich der Wippe hast du Recht, der Mittelbalken ist starr, nur das Kreuz mit dem Bedienarm ist beweglich.
Auf den Bälgen liegen Gewichte, die die Bälge zusammendrücken. Wenn der Arm herunter gedrückt wird, wird der linke Balg (von hinten gesehen) aufgezogen, wenn der Linke heruntersinkt, zieht er den Rechten auf.
Wenn die Verbindung vom Kreuz zum jeweiligen Balg statt nur mit einem Seil mit einer starren Verbindung gemacht wird, kann sowohl aufwärts wie auch abwärts  gepumpt werden.
5. Mai 2014 um 10:44
Genau auf sojemanden hoffe ich hier auch ^^
17. April 2014 um 10:30

Hehe ich hab sogar beides hier. Nen 10kg Speerhorn und so einen Steckamboss. Dem sieht man seine moderne Herkunft aber leider an :( Was für Larp wohl noch in Ordnung sein sollte. Werde beide mal ausprobieren und dann wählen, welches der beiden Stücke in meine Feldschmiede und welches ins Projekt gehen ;)

An dieser Stelle auch nochmal die Frage der Befestigung. Wie bekomme ich mein Sperrhorn denn überhaupt in nen Holzklotz, dass es da auch bleibt. Vorbohren, ausbeiteln und dann hoffen dass es passt und nicht wackelt? Oder vielleicht nicht ganz passend vorarbeiten, Sperrhorn unten anheizen, ohne dass die Bahn zu warm wird und dann einbrennen? 

Mein Horn hat einen ca. 10 - 15cm langen, vierkantigen Dorn. Habe grade im Internet gesucht, aber scheine wohl die falschen Begriffe zu nutzen :( Aber hier haben das doch bestimmt einige schonmal gemacht oder? Du doch auf jedenfall Timm oder???

Zuletzt bearbeitet: 17. April 2014 um 12:34, Lennart G
6. Mai 2014 um 14:00
Alles klar, also wenn man das sogar so machen kann, dann wird das umgesetzt ^^ Das mit dem Grubenhaus finde ich richtig gut. Nen Kumpel meinte, dass man auch versuchen könnte ne Blockhütte zu bauen. Nen Kumpel von ihm hat das auch mal gelernt, aber wohl noch nie angewendet. So ein Grubenhaus sieht da schon unkomplizierter aus. Allerdings könnte es für zwei unabhängige Schmiede recht eng werden oder? 
24. April 2014 um 15:54
Ist Schmiedekohle überhaupt authentisch?

Definitiv nein! Bis zum Beginn der Industriealisierung wurde ausschliesslich mit Holzkohle geschmiedet! Gruß, DerSchlosser


Hier muß ich widersprechen.


Zwischenablage01.jpg

Was man nicht tut, geschieht auch nicht
Zuletzt bearbeitet: 24. April 2014 um 15:55, Thomas
6. Mai 2014 um 22:47
Geht schon, in beiden Schmieden in Ribe sind jeweils 2 historische Ambosse.
Bohlenbauweise ist übrigens sehr simpel (siehe 2. Bild), da muss man nur Nuten  in die Ständer machen, dann werden die Bohlen einfach von oben eingeschoben. Dach drauf, fertig.
Zuletzt bearbeitet: 6. Mai 2014 um 22:54, Timm Esemann
24. April 2014 um 20:15
Hallo Scheunenschmied,

Dann muß ich meine Aussage evtl. revidieren. Aus welcher Quelle ist der Abdruck? Und es steht ja drin: "bisweilen", ich denke immer noch, daß hauptsächlich Holzkohle verwendet wurde. Zumindest bei uns in der Gegend (Märkisches Sauerland), wo es auch schon vor der Industriealisierung hunderte von Hammerschmieden gegeben hat. Heute noch findet man die Stellen im Wald, wo die Kohlenmeiler gestanden haben.

Viele Schmiedegrüße,

DerSchlosser
Ein Hoch dem ehrbaren Schmiedehandwerk!
Zuletzt bearbeitet: 24. April 2014 um 20:17, Martin Hartung / DerSchlosser