Alte Härtemittel

17. Oktober 2016 um 12:58
Ich habe mir vor kurzem einige Bücher bestellt. Darunter auch das "Hand und Hilfsbuch für den praktischen Metallarbeiter". Es ist unglaublich umfangreich und detailiert verfasst. Das Buch ist in Fraktur geschrieben, woran man sich zu Beginn ein wenig gewöhnen muss, aber inhaltlich vermutlich einzigartig. Eine Zusammenfassung des Inhaltsverzeichnisses könnt ihr beim Verlag nachsehen
http://www.survivalpress.org/shop/index.php?main_page=product_info&cPath=1_6&products_id=1931

Jetzt aber zum Eigentlichen. Das ist ein Auszug aus dem Buch zum Thema härten. Wenn man heute vom Härten liest, findet man eigentlich nur Wasser, Öl oder Luft. Dass es noch viel aufwendiger gehen kann, könnt ihr hier nachlesen. Interessieren würde mich sehr, ob jemand schon Erfahrungen mit diesen "Zaubermittelchen" gemacht hat.


Grüße,
Wolfganghaerten.png
17. Oktober 2016 um 15:35
...man sagt ja, ein echtes japanisches Samurai-Schwert wird in Blut gehärtet.
(Praktische Erfahrungen habe ich damit allerdings keine...)
17. Oktober 2016 um 18:36
Interessante Lektüre ! Wir habe damals im Lehrbetrieb vorwiegend Meissel, Spitzeisen und Pickel nachgespitzt   ,im Wasser abgeschreckt und danach die Spitze ins Öl gestellt. Ich frage gerne erfahrene Schmiede nach ihren Methoden ,einer härtete im Fett und einer hat auf  Pferdep***e geschworen,Ihr versteht mich schon   !

Gruss Heinz
Zuletzt bearbeitet: 17. Oktober 2016 um 18:38, Welder
16. Juni 2017 um 09:49
Guten Tag,

Ihr seid doch hier alles gestandene Handwerker an Hammer und Amboss, wenn man sich auf den Finger schlägt tut es weh, da hilft auch keine noch so seltsame Überlieferung. Es lässt sich letztendlich alles erklären, wenn auch manches nicht untersucht worden ist, weil einfach die Analyse die Kosten des Ergebnisses nicht deckt.



Nehmen wir einfach einmal diese Geschichte mit dem Härten in Urin. Neben anderen Bestandteilen enthält Urin Salze und Harnsäure. Wenn man sich einmal die Möglichkeiten der Abschreckmedien ansieht wird man feststellen, das Salzwasser, Wasser mit Säure, zu den schroffen Abschreckmedien zählt. Wenn man sich jetzt vor Augen hält, dass früher oft mit nicht hochkohlenstoffhaltigen Stählen gearbeitet wurde und man trotzdem eine gewisse Härte erzielen wollte ist es doch naheliegend, dass niedriglegierte Stähle so schroff abgeschreckt wurden wie nur irgendwie möglich.

Wenn wir uns jetzt das Szenario in einer alten Schmiede vorstellen, wo meist auch noch beschlagen wurde, dann ist ja zumindest Pferdeurin jederzeit greifbar, wenn ich das mal so ausdrücken darf.



Der Versuch ist von jedem nachvollziehbar, auch ohne sich, mit möglichst weithalsigen Gefässen, unter einen Gaul zu kauern. Abgestandenes Wasser oder Regenwasser wird einfach gesalzen. Über die Konzentration habe ich mir offen gesagt nie Gedanken gemacht, auf cirka 6 Liter habe ich mal ein Pfund Salz gegeben und es sich lösen lassen. Das Resultat war, dass selbst gutmütige Stähle, wie C60, so hoch angesprungen sind, dass sie zum Teil gerissen waren. Eine Ölschicht auf dieser Salzsuppe hat dann Abhilfe gebracht.

Selbst die Konzentration von 100 Gramm auf 6 Liter Wasser hat, rein subjektiv empfunden, noch härtere Ergebnisse gebracht als Abschrecken in einfachem Wasser oder angewärmten Öl.



Es muss jeder für sich entscheiden wie weit er geht, beziehungsweise wie risikobeladen er sein Härtegut behandelt. Wenn ich auf einer Klinge eine Härtelinie sehen will muss ich alles in die Waagschale werfen, auch in Angesichts dessen, dass ich die Klinge vielleicht wieder von neuem beginnen muss. Je schneller die Umwandlung erfolgt, oder wie schon so schön gesagt, die Perlitnase unterschritten wird, desto eher kann es "krack" machen. Auch ist kein Wechsel der Abschreckmedien erforderlich, wenn ich die Klinge zuerst in Wasser abschrecke, dort kurz halte und dann in Öl weiter abschrecke, ist eigentlich nichts passiert, außer das ich nachher eingebranntes Öl auf der Klinge habe. Die Gefahrenzone, ich nenne das jetzt einmal so, ist im Wasser durchschritten worden, wenn sie reißen sollte, dann reißt sie auch danach im Öl, der Schaden ist bereits im Wasser geschehen, der Schadenseintritt kommt dann eben, ob ich weiter im Wasser abkühlen lasse oder in Öl.



Es kann dabei auch zu Verzug kommen, das ist auch im Rahmen der Möglichkeiten. Unlängst habe ich zwei Bowieklingen in Regenwasser abgeschreckt. Beide Klingen waren kerzengerade, nach dem Abschrecken war erkennbar, dass beide Klingen sich, gleich einem Katana, exakt nach hinten gebogen hatten. Die Biegung war nicht extrem, aber sie hat die kerzengerade Klinge mittig leicht nach hinten gebogen, es sah sogar noch gut aus. Der Stahl war C75.



Aber zurück zu den alten Mittelchen. Die Metalle begleiten die Menschen ja schon einige tausend Jahre, und das Herstellen von Eisen und Stahl hat alles in eine andere Liga gehoben. Natürlich war man begierig darauf, gehärteten Stahl in der Hand zu halten, egal ob Krieger, Bauer, Metzger oder im Haushalt. Und gehärteter Stahl war teuer, die Rennofenspezialisten hier unter uns können dazu bestimmt viel mehr sagen was den Aufwand dahingehend betrifft. Und natürlich hütete jeder das Rezept um Stahl zu härten, dann ist es auch kein Wunder, das gerade in alten Zeiten die tollsten Storys darüber im Umlauf waren.



Wir dürfen nicht vergessen, wir reden bei den alten Zeiten von Zeiten, in denen die Leute leichtgläubig waren. Man glaubte an Hexen und Wanderprediger, die irgendwelchen abstruse Vorstellungen hatten, wenn Schaden jedweder Art eingetreten war, suchte man nicht nach der wahren Ursache, sondern glaubte an Flüche und dergleichen. Natürlich hat das abgefärbt bis heute. Wir betreiben eines der ältesten Handwerke der Menschheit, und die Welt, in der wir uns bewegen, hat doch gar keine Vorstellung von dem, was wir tun. Dann ist es doch auch nicht verwunderlich, wenn wir uns immer noch ein Auge in Richtung Vergangenheit auf halten, ich sehe darin nichts was irgendwie seltsam wäre.

Auf der anderen Seite sollte man allerdings den Einsatz von z. B. Blutlaugensalzen und anderen risikobehafteten Chemikalien doch im Voraus überdenken.



Selbst das Schmieden selbst war ja schon schwierig genug. Sehen wir uns ganz einfach einmal die Geschichte mit dem Schmieden in Holzkohle an. Hat man ein Holzkohlenfeuer in der Esse und bläst Luft hinein verbrennt der Sauerstoff. Dabei werden zwei Gase freigesetzt, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid. Der Stickstoff in der Luft verbrennt nicht mit, hat aber einen Anteil von über 70 %, der Rest teilt sich Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Überwiegt jetzt Kohlendioxid tritt Entkohlung ein, überwiegt Kohlenmonoxid kommt es zu Aufkohlung.

Also, habe ich ein Holzkohlenfeuer und blase dort Luft hinein kommt es auf die Menge der Luft an, die durch das Feuer streicht. Das Verhältnis Kohlenmonoxid/Kohlendioxid wird dadurch reguliert, je heißer desto mehr neigt sich das Vehältnis zu Kohlendioxid, was zur Entkohlung führt, je weniger Luft, desto mehr Kohlenmonoxid, was zumindest kohlenstofferhaltend ist, oder sogar zur Aufkohlung führen kann.

Wenn einer das haarklein nachlesen will, bei Verhoeven und Rapatz wird er fündig, dort ist alles bestens erklärt, wobei ich die Ausführungen von Herrn Verhoeven ein wenig praxisorientierter finde, aber das ist subjektiv.



Wenn wir jetzt einmal die Theorie verlassen und uns einen japanischen Schwertschmied bei der Arbeit ansehen (bei yt gibts ja genug Filmchen dazu). Diese benutzen ein Holzkohlenfeuer, die Holzkohlen sind ziemlich klein, das Holzkohlenfeuer dagegen sehr groß. Man hat also ein sehr großes Glutbett aus dicht an dicht liegenden kleinen Kohlenstücken, was eine gehörige Menge an Temperatur hat. Dadurch, dass Holzkohle leichter und länger brennt als Steinkohle und dicht an dicht liegt, benötige ich logischerweise nicht soviel Gebläseluft wie ein Steinkohlenfeuer, und auch die Verweildauer im großen Feuer ist kürzer als in einem kleinen Feuer. Also arbeitet der Herr japanische Schmied unter optimalen Bedingungen um den Stahl schonend zu bearbeiten und Entkohlung zu vermeiden. Ein Vorteil, der gerade bei langen Klingen, die oftmals erwärmt werden müssen von tragender Bedeutung ist.



Jetzt versteht sich auch, warum die Lehrbuben bei den japanischen Meistern so oft die groben Holzkohlestücke zerkleinern müssen.



Den Exkurs bitte ich zu entschuldigen, ist er doch ein wenig am Kernthema vorbei geglitten. Aber, wenn man als Schmied in frühen Zeiten allen alles so einfach erlärt hätte, dann hätte es ja jeder machen können und beim Herrn Schmied wäre öfter Brotsuppe auf den Tisch gekommen als Schinken. Da tut es schon gut, wenn man ein paar Märchen erzählt, und sich insgeheim ins Fäustchen lacht.



Viele Grüße

Roman

ps: tut mir leid, Eure Beitrage kamen in der Zeit, in der ich am schreiben war.
Kuhhorn, das ist der Aufhänger. Aufkohlung ist ja früher schon mit Hornspänen gemacht worden, falls ich da etwas falsch in Erinnerung habe, bitte berichtigen.
Also, was die Schnelligkeit von Kohlenstoffatomen betrifft, auch bei Verhoeven niedergeschrieben. Bei Raumtemperatur braucht ein Kohlenstoff im Austenit Jahre um seinen Platz zu wechseln, allerdings ändert sich das enorm bei 925 Grad Celsius, bei dieser Temperatur kann ein Kohlenstoffatom so schnell seinen Platz wechseln, dass es unvorstellbar ist, in einem Austenitkorn kann es zwischen zwei benachbarten Lücken in einer Sekunde cirka 1,8 Milliarden mal seinen Platz wechseln. Herr Verhoeven spricht von der Kohlenstoffdiffusion an der Trennstelle zwischen Holzkohle und Stahl, wobei man das ja auch auf das Horn übertragen kann. Um ihn zu zitieren, "Bei 925 Grad Celsius ist es möglich, Kohlenstoffatome schnell in das reine Eisen diffundieren zu lassen. Der Kohlenstoffgehalt steigt an der Trennfläche zur Holzkohle auf den maximal möglichen Gehalt in Austenit an, nämlich 1,3 %"
Belegen kann ich das mit dem Kuhhorn jetzt nicht, aber denkbar ist es.
Zuletzt bearbeitet: 16. Juni 2017 um 10:04, Roman Mertes
17. Oktober 2016 um 19:34
Bei den Schmieden wurde früher aus der Härterei oft ein Geheimnis gemacht, heutzutage ist das nicht mehr so möglich weil jeder der es wissen will im Netz die Informationen finden kann die er braucht.
Vor kurzem wurde mich eine Geschichte erzählt nachdem landw. Werkzeuge bei der einen Schmiede geschmiedet wurden, und zum härten in eine andere Schmiede gebracht wurden.
Das Wissen wie man es richtig macht wurde von manchen nur an die Nachfolger innerhalb der Familie weitergegeben.
Als ich noch meine Brötchen mit dem schärfen von Meißel verdient hab gab es sehr wohl auch Mitbewerber, zu dieser Zeit hatten wenige mehr an Informationen als das was man im Tabellenbuch nachlesen kann.
Hätte mich damals jemand gefragt wie ich härte dann hätte ich evt. auch etwas von Schweineschmalz oder Eisblöcken erzählt...die Anlaßfarben hab ich immer vor dem Ausliefern wegeschliffen.
Früher war es für manche Handwerker (über) lebenswichtig manche Vorgehensweisen für sich zu behalten und bei neugierigen Fragen evt. auch mal die Phantasie genutzt um die Konkurrenz in die Irre zu führen.
Bitte nicht falsch verstehen, ich will keinesfalls die alte Literatur runtermachen, aber ob  alles was dort geschrieben steht begründet werden kann???
Schmieden lernt man am Amboß

Zuletzt bearbeitet: 17. Oktober 2016 um 19:38
18. Oktober 2016 um 12:45
Begründet vermutlich nicht. Ich denke, dass das beobachten und verstehen erst später kam.
Hier wurde wohl einfach nur beobachtet und angewendet und wenn es nicht klappte, eine Zutat verändert. Also die chemischen Abläufe und ihre Vor und Nachteile waren den Autoren vermutlich nicht bekannt, das muss aber nicht heißen, dass diese Pasten schlecht sind oder ablenken sollen. Das glaube ich nun wieder auch nicht. Aber interessante Einblicke, Volker!

und @Heinz: Hab mal von Schmieden in Afrika gehört die auch Tierkot nehmen für die Esse. Der Stickstoff quasi als Gratisbegleiterscheinung! :)

@Klopfer: dass du keine praktischen Erfahrungen damit hast, Stahl in Menschenblut zu härten beruhigt mich ungemein  
18. Oktober 2016 um 17:33
also sollte man zum härten einen Kaltblüter nehmen und zum anlassen eher etwas Heißblütiges, hoffentlich lesen das nicht die Messermacher .
18. Oktober 2016 um 17:41
...wir Pfälzer nehmen zum abhärten lieber etwas hochprozentiges
Schmieden lernt man am Amboß

18. Oktober 2016 um 18:51
Härtung von innen nach außen, richtig? 
18. Oktober 2016 um 19:08
...genau so, ohne Anlassen, funktioniert immer
Schmieden lernt man am Amboß

18. Oktober 2016 um 19:23
ohne Anlassen  super!

 Ich habe noch eine Härteanweisung gefunden. Die ist vermutlich noch älter, auf jeden Fall wirkt sie absurder.
Allein schon der lustigen Sprache wegen.
haerten2.png 
12. Juni 2017 um 18:16
Es gibt auf YT einen super schönen Schmiedefilm mit dem Titel "Das Schmiedehandwerk Teil 1 - 5" was ich gerne dazu wissen würde. Warum reibt der Schmied dort Meisel und andere härtbaren Werkstücke, im heißen Zustand und vor dem eigentlichen Härten, an einer Kuhklaue oder Horn. Wenn mir Jemand von Euch kurz erklären könnte was Sinn und Zweck der Übung ist, wäre ich sehr dankbar. Übrigens wer diesen Film noch nicht gesehen hat, Er ist wiklich sehenswert, mitlerweile habe ich Ihn glaube schon das 3 mal gesehen.

Gruß aus Nordhessen

Manfred
12. Juni 2017 um 20:23
Ich gehe davon aus, er liebt einfach diesen Geruch

Spaß beiseite, ich vermute mal er will damit die Stahleigenschaften verbessern, Kohlenstoff hineindiffundieren lassen oder Nitrathärten, denn Horn wird auch als Stickstoffdünger verwendet- ich selbst habe gestern einige Hände voll an meine Tomaten, Gurken, Erdbeeren, kürbisse, etc. getan. Die mögen das sehr gern.

Meiner meinung nach funktioniert aber weder das aufkohlen noch das Nitrathärten auf diese Weise wirklich, wenn man ordentliche mengen Kohlenstoff in den Stahl bringen will muss man ihn eine Weile über der härtetemperatur (je höher desto besser) umgeben vom Kohlenstoff unter luftabschluss erhitzen. Green Beetle (YT) macht das immer sehr schön. Er nimmt gerne Brausebonbons zum aufkohlen...Hoffe ich konnte helfen.
Ich habe aber auch wenig Ahnung, darum sollten bitte die alten Hasen noch was zu sagen.
VG, Edgar
12. Juni 2017 um 20:29
Aber nichtsdestotrotz halte ich alte Härtemethoden ( solange sie nicht schaden) für erhaltenswert und auch mal auszuprobieren.
Es gibt mehr da draußen als unsere Wissenschaft feststellen kann, wer weiß, vielleicht erlangt das Schwert, das in Drachenblut gehärtet wurde ja wirklich magische Kräfte?
Aber jetzt nicht alle in den Wald rennen und Drachen jagen, die sind streng bedroht.
VG, Edgar
13. Juni 2017 um 17:45
Hallo Edgar,
der Morgenurin, am Besten leichter Mittelstrahl eines hochträchtigen Pfingstochsen soll für Messer am Besten sein. Drachen gibts nämlich gar nich. Aber im Ernst, diese Methode hatte ganz sicher einen festen Grund, ich steh nunmal auf die Weisheiten von Früher auch wenn Sie Physikalisch oder Mathematisch schwer erklärbar sind. Deshalb hatte ich mir hier im Forum erhofft eine plausible Antwort auf meine Frage zu finden.

Gruß

Manfred