Anlassen

9. Januar 2017 um 14:37
Ich habe da mal eine Frage. Ich bin kein Schmied und habe jetzt erst wieder mit dem Schmieden angefangen. Mein Vater war aber Schmied und Schlossermeister und bis ich 16 war hab ich ihm auch fleißig geholfen . Wir haben früher auch einiges an Werkzeug wie Meißel , Durchschlaeger, Hammer , Zangen , Saesel und Beile usw. geschmiedet . Das fertige Teil gehärtet im Feuer gut erhitzt, dann im Wasser oder auch Öl abgeschreckt und mit der Restwaerme angelassen bis man gelb gesehen hat.. Mehr nicht und das ging immer gut so. Jetzt lese ich hier immer was von Anlassen im Backofen etc bei 230 Grad über eine Stunde oder mehr. Mein Vater lebt schon eine Weile nicht mehr, den kann ich nicht mehr fragen und sonst kenne ich keinen lebenden Schmied persönlich . Daher hoffe ich hier auf gute Informationen. Habt herzlichen Dank.
9. Januar 2017 um 17:10
Servus MedFaber,

ich stecke diesbezüglich zwar selber noch in Kinderschuhen aber das mit den Meißeln krieg ich mittlerweile hin.
Bei Meißeln ist, wenn ich es richtig verstanden hab, eine Gebrauchsfähige Härte an der Spitze bei einem zähen Schaft notwendig.

Deine eigentliche Frage werden bestimmt noch ein paar Kollegen aus der "Messerecke" (auch für mich zur Bestätigung meiner Vermutung) beantworten können. Meiner Meinung nach werden Messer so behandelt um eine gleichmäßige Härte/Zähigkeit zu erlangen, da/(und?) die Stoßbelastung kleiner ist als bei Meißeln etc., desweiteren dürfte bei den dünnen Klingen ein Anlassen mit Restwärme eher schwierig sein?! Der Backofen dürfte somit auch die Themeraturführung-/überwachung erleichtern...

Was meinen die Profis???

Grüße Euer Holledauer
Unikate müssen nicht zwingend schön sein, nur einzigartig.

9. Januar 2017 um 17:56

Hallole,

das trifft schon den Kern der Sache. Dass das Anlassen wichtig ist um die Sprödigkeit nach dem Härten durch Gefügeumwandlung (Martensit) etwas zu mildern und etwas Zähigkeit zurück zu bekommen (unter Verlust von Härtegraden), darüber sind wir uns einig. Die dazu nötige Temperatur kann bei dicken Materialien über die Restwärme geliefert werden. Bei dünnerem Material (Messer) kann die Restwärmemenge nicht ausreichend sein. Daher ist gleichmäßiges Erhitzen im Härte-/Backofen die sicherste Art die Anlaßtemperetur überall zu erreichen. Auch besteht bei dünnem Material immer die Gefahr der Verzuges bei ungleichmäßiger Wärmebehandlung.

Also eine recht einfache Erklärung. Stellt zwar die Metallurgen nicht zufrieden, ist aber für den Hausgebrauch ausreichend.

Grüßle

Teckschmied (Hobbymetallklopfer)

9. Januar 2017 um 18:22
Ich habe früher auch im Backofen angelassen, aber da ich es zu doof finde, für eine kleine Klinge den Backofen anzuheizen, mache ich inzwischen alles in der Esse. Geht auch gut. Bei Messerklingen ist das zwar nicht ganz so genau, aber besonders Meißel wird wohl kaum einer in den Backofen tun.
VG, Edgar 
9. Januar 2017 um 18:47
Hallo Ralf,

"im Feuer gut erhitzt, dann im Wasser oder auch Öl abgeschreckt und mit der Restwaerme angelassen bis man gelb gesehen hat."

das ist schon der richtige Weg, allerdings solltest Du darauf achten daß nach dem Anlassen nicht das ganze Werkstück abgekühlt wird, am besten nur die Schneide...
Mit Hilfe des Forums hast Du die Möglichkeit erfahrene Schmiede kennenzulernen, z.B. auf einem Treffen, auch in einer Museumsschmiede kann Dir geholfen werden...bei mir in der Museumsschmiede kommen immer wieder Besucher die ihre Meißel oder Gartengeräte mitbringen um sie schärfen zu lassen.
Hast Du denn eine eigene Werkstatt?
Schmieden lernt man am Amboß

10. Januar 2017 um 06:59
Neben dem Materialquerschnitt und der erwünschten Härteverteilung spielt boch der Stahl eine Rolle beim anlassen. Die einfachen C-Stähle, mit denen vermutlich nach wie vor die meisten Werkzeuge handwerklich gefertigt werden, sind umwandlungsfreudig. Das heißt, dass die oben angesprochene Gefügeumwandlung recht schnell erfolgt. Höher legierte Stähle sind oft umweandlungsträger und benötigen daher deutlich längere Haltezeiten. Das kann beim Anlassen mit Restwärme nicht funktionieren.
Grüße aus dem Oberberg

Steffen
10. Januar 2017 um 13:59
Hallo zusammen,
herzlichen Dank fuer eure informativen Antworten.
Jetzt weiß ich schon wieder etwas mehr . Das ist bei mir jetzt alles schon 40 Jahre her und ich kann schon noch einiges und manchmal fallen mir bei der Arbeit auch wieder manche Dinge ein, wie wir das damals so gemacht haben, aber vieles hab ich einfach vergessen oder verlernt.
Muss irgendwann mal einen Kurs machen.
Ja ich habe eine eigene Schmiede. Bis Mitte letzten Jahres war meine Werkstatt an einen Blechner vermietet und als der raus ist kam mir die Idee sie selbst zu nutzen .
Leider hab ich nur einen Gasofen, da mir der Bezirksschornsteinfeger einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und die Auflagen fuer eine Kohleesse zu kostspielig waren. Aktuell bin ich dabei sie weiter auszustatten , Werkzeuge zu machen , Meißel ( die noch gehärtet werden müssen 😉 ) und ein paar Zangen brauch ich noch .
Also nochmals Danke an alle.
12. Juni 2017 um 09:23
Guten Tag,
wenn ausschließlich eine Gasesse zur Verfügung steht könnte man sich dem Anlassen auch dahingehend nähern, dass man ein Stück Stahl mit entsprechender Masse auf Anlasstemperatur bringt und das Härtegut dann darauf ablegt. Bei Äxten und Beilen habe ich schon gesehen, dass ein rotglühender Dorn in das Auge gesteckt wurde und so die gewünschte Anlasstemperatur errreich wurde.

Viele Grüße
Roman
17. Juni 2017 um 20:34
Hallo zusammen

Darf ich mich mit weiteren Frage quer in die Diskusion einklinken ?

1.Bei den damaligen Fachkursen während meiner Lehrzeit hat unser Kursleiter erklärt,dass man den Stahl (Spitzeisen war damals das Thema ) nicht über "hellkirschrot " erwärmen soll ,weil sich das Gefüge sonst zu stark verändere ! Die Meissel,Pickel und Spitzeisen für das Baugewerbe war mir damals schon eher Last als Lust und das gestalterische Kunstschmieden sowie der Hufbeschlag hat mir mehr zugesagt und das Härten und Anlassen hat mich damals nicht wirklich interessiert! Wenn man 4 fragte ,hat jeder bei einer anderen Anlassfarbe das Teil ins Öl gestellt,damit man ja nichts selber nachmachen konnte  !Was meint Ihr zu dieser Aussage betreffs hellkirschrot ?

 2.Es soll ja auch Lufthärter geben ? (Habe damit aber null Erfahrung )

3. Mein Lehrmeister ,ein Hufschmied mit Meisterbrief hat damals die Konkurenzschmiede im Ort belächelt,weil dieser die Esse entsorgt  und durch eine Gasesse ersetzt hat .Gemäss seiner Aussage kann man nur im Kohlenfeuer härten,bzw wiederholt härten von wegen aufkohlen des Stahls ! Hat mich damals alles auch nicht wirklich interessiert und jetzt kann ich ihn nicht mehr fragen !

Gruss Welder
Zuletzt bearbeitet: 17. Juni 2017 um 21:13, Welder
17. Juni 2017 um 20:43
...Servus Welder,

ich bin überzugt davon, daß der Kunstschlossernußbach einer mit der meisten Erfahrung darin ist!

@Volker - Du bist beitragsmäßig eh schon überfällig

vom Holledauer
Unikate müssen nicht zwingend schön sein, nur einzigartig.

Zuletzt bearbeitet: 17. Juni 2017 um 20:45, Holledauer
17. Juni 2017 um 21:56
Es gibt mehrere Wege wie man zum Ziel kommt.

Ich mach es so:

Erhitzen im Kohlefeuer, bei mehrmaligem erhitzen mit Gas verliert der Stahl Kohlenstoff, aber auch bei Kohle gilt je weniger Hitzen umso besser, gerne auch bis 1000 Grad. Währen dem Schmieden nicht die Temp. zu weit absacken lassen, lieber nochmal warmmachen.

Beim Härten nur  die ersten 10 bis 15 mm ins Wasser (abgestanden oder besser noch Regenwasser) so bei ca. 800 bis 850 Grad.
Beim anlassen bis ca. 230 Grad erreicht man für Werkzeuge mit denen Stein oder Beton bearbeitet werden soll eine gute Gebrauchshärte.
Ich empfehle das anlassen mit Restwärme, dann auch nur an der Spitze abstoppen, so minimiert man das Risiko eines Bruchs nach der Schneide, dann das Werkstück im Wasser stehend abkühlen lassen.

Am besten komme ich zurecht wenn ich dafür ein Gefäß nur mit so viel Wasser fülle daß das Wasser je nach Durchmesser des Materials ca. 10 bis 15 mm hoch steht.

Lufthärter kann man nach dem Schmieden einfach liegen lassen und gut ist...soll es etwas härter werden mit Pressluft abkühlen, etwas weicher wird es wenn man das Werksück in Sand steckt (lansamere abkühlung)
Wenn man sich nicht sicher ist ob das Werkstück ein Lufthärter ist dann härten und anlassen wie beschrieben, Lufthärter kann man an der Luft härten lassen aber man muß nicht.

Am besten läßt man sich das alles direkt am Schmiedefeuer und Amboß zeigen, Schmiedetreffen sind eine gute Gelegenheit dafür.

Wer möchte kann auch gerne zu den Schmiedeterminen zu mir ins Museum kommen und seine Meißel oder Spitzhacken
mitbringen, dann aber bitte kurz vorher bei mir melden.

Der nächste Schmiedetag im Freilichtmuseum Bad Sobernheim ist am 2. Juli 2017
Schmieden lernt man am Amboß