15. Juni 2017 um 18:57
Danke Roman, für Dein Statement, scheinbar macht sich Diesbezüglich allgemeine Ratlosigkeit im Form breit. Solche Geheimmittelchen wurden ja genug in die Welt gesetzt um die  Kunst des Härtens möglichst für sich zu behalten. Davon ab möchte ich solche Methoden gerne meiden, zum 1 wird es barbarisch stinken und es würde mir im Herzen weh tun einer Kuh oder einem Ochsen die Extremitäten zu kürzen . Die Frage war auch nicht todernst gemeint, ich denke aber der Film ist aus den 80ger Jahren, deshalb hat mich diese Vorgehensweise doch sehr verwundert aber die Hoffnung auf eine Geschichte dazu von einem "alten Hasen" hat mich dazu bewegt diese Frage zu stellen.

Gruß aus Nordhessen

Manfred
16. Juni 2017 um 08:27
Möglicherweise wurde das Horn bzw. die Kuhklaue verwendet um die Temperatur beim Anlassen zu bestimmen.
Schmieden lernt man am Amboß

16. Juni 2017 um 08:54
Ich hatte mich darüber auch schon einmal mit Alex unterhalten und wir waren auch eher in Richtung "Temperaturtesten - Aufkohlen" ... hängen geblieben.. wobei fürs Aufkohlen die Einwirkzeit viel zu kurz ist um irgendeinen Effekt zu haben.

Schlußendlich sollte man es einmal probieren wofür es gut sein könnte bzw. sich mal die Schmorrtemperatur von Horn angucken..

Was mich am meisten irritiert an der ganzen Geschichte ist: Ich habe bis jetzt keinen Oldtimer getroffen der die Technik kannte, und zudem habe ich noch nirgends so ein angeschmorrtes Horn in ner Schmiede gefunden...

Im Metzger könnt man nochmal nachgucken ob der was zu Hornspähne o.ä. geschrieben hat, wofür das gut ist.
Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun unser Bestes. Es muss dir gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.
16. Juni 2017 um 09:49
Guten Tag,

Ihr seid doch hier alles gestandene Handwerker an Hammer und Amboss, wenn man sich auf den Finger schlägt tut es weh, da hilft auch keine noch so seltsame Überlieferung. Es lässt sich letztendlich alles erklären, wenn auch manches nicht untersucht worden ist, weil einfach die Analyse die Kosten des Ergebnisses nicht deckt.



Nehmen wir einfach einmal diese Geschichte mit dem Härten in Urin. Neben anderen Bestandteilen enthält Urin Salze und Harnsäure. Wenn man sich einmal die Möglichkeiten der Abschreckmedien ansieht wird man feststellen, das Salzwasser, Wasser mit Säure, zu den schroffen Abschreckmedien zählt. Wenn man sich jetzt vor Augen hält, dass früher oft mit nicht hochkohlenstoffhaltigen Stählen gearbeitet wurde und man trotzdem eine gewisse Härte erzielen wollte ist es doch naheliegend, dass niedriglegierte Stähle so schroff abgeschreckt wurden wie nur irgendwie möglich.

Wenn wir uns jetzt das Szenario in einer alten Schmiede vorstellen, wo meist auch noch beschlagen wurde, dann ist ja zumindest Pferdeurin jederzeit greifbar, wenn ich das mal so ausdrücken darf.



Der Versuch ist von jedem nachvollziehbar, auch ohne sich, mit möglichst weithalsigen Gefässen, unter einen Gaul zu kauern. Abgestandenes Wasser oder Regenwasser wird einfach gesalzen. Über die Konzentration habe ich mir offen gesagt nie Gedanken gemacht, auf cirka 6 Liter habe ich mal ein Pfund Salz gegeben und es sich lösen lassen. Das Resultat war, dass selbst gutmütige Stähle, wie C60, so hoch angesprungen sind, dass sie zum Teil gerissen waren. Eine Ölschicht auf dieser Salzsuppe hat dann Abhilfe gebracht.

Selbst die Konzentration von 100 Gramm auf 6 Liter Wasser hat, rein subjektiv empfunden, noch härtere Ergebnisse gebracht als Abschrecken in einfachem Wasser oder angewärmten Öl.



Es muss jeder für sich entscheiden wie weit er geht, beziehungsweise wie risikobeladen er sein Härtegut behandelt. Wenn ich auf einer Klinge eine Härtelinie sehen will muss ich alles in die Waagschale werfen, auch in Angesichts dessen, dass ich die Klinge vielleicht wieder von neuem beginnen muss. Je schneller die Umwandlung erfolgt, oder wie schon so schön gesagt, die Perlitnase unterschritten wird, desto eher kann es "krack" machen. Auch ist kein Wechsel der Abschreckmedien erforderlich, wenn ich die Klinge zuerst in Wasser abschrecke, dort kurz halte und dann in Öl weiter abschrecke, ist eigentlich nichts passiert, außer das ich nachher eingebranntes Öl auf der Klinge habe. Die Gefahrenzone, ich nenne das jetzt einmal so, ist im Wasser durchschritten worden, wenn sie reißen sollte, dann reißt sie auch danach im Öl, der Schaden ist bereits im Wasser geschehen, der Schadenseintritt kommt dann eben, ob ich weiter im Wasser abkühlen lasse oder in Öl.



Es kann dabei auch zu Verzug kommen, das ist auch im Rahmen der Möglichkeiten. Unlängst habe ich zwei Bowieklingen in Regenwasser abgeschreckt. Beide Klingen waren kerzengerade, nach dem Abschrecken war erkennbar, dass beide Klingen sich, gleich einem Katana, exakt nach hinten gebogen hatten. Die Biegung war nicht extrem, aber sie hat die kerzengerade Klinge mittig leicht nach hinten gebogen, es sah sogar noch gut aus. Der Stahl war C75.



Aber zurück zu den alten Mittelchen. Die Metalle begleiten die Menschen ja schon einige tausend Jahre, und das Herstellen von Eisen und Stahl hat alles in eine andere Liga gehoben. Natürlich war man begierig darauf, gehärteten Stahl in der Hand zu halten, egal ob Krieger, Bauer, Metzger oder im Haushalt. Und gehärteter Stahl war teuer, die Rennofenspezialisten hier unter uns können dazu bestimmt viel mehr sagen was den Aufwand dahingehend betrifft. Und natürlich hütete jeder das Rezept um Stahl zu härten, dann ist es auch kein Wunder, das gerade in alten Zeiten die tollsten Storys darüber im Umlauf waren.



Wir dürfen nicht vergessen, wir reden bei den alten Zeiten von Zeiten, in denen die Leute leichtgläubig waren. Man glaubte an Hexen und Wanderprediger, die irgendwelchen abstruse Vorstellungen hatten, wenn Schaden jedweder Art eingetreten war, suchte man nicht nach der wahren Ursache, sondern glaubte an Flüche und dergleichen. Natürlich hat das abgefärbt bis heute. Wir betreiben eines der ältesten Handwerke der Menschheit, und die Welt, in der wir uns bewegen, hat doch gar keine Vorstellung von dem, was wir tun. Dann ist es doch auch nicht verwunderlich, wenn wir uns immer noch ein Auge in Richtung Vergangenheit auf halten, ich sehe darin nichts was irgendwie seltsam wäre.

Auf der anderen Seite sollte man allerdings den Einsatz von z. B. Blutlaugensalzen und anderen risikobehafteten Chemikalien doch im Voraus überdenken.



Selbst das Schmieden selbst war ja schon schwierig genug. Sehen wir uns ganz einfach einmal die Geschichte mit dem Schmieden in Holzkohle an. Hat man ein Holzkohlenfeuer in der Esse und bläst Luft hinein verbrennt der Sauerstoff. Dabei werden zwei Gase freigesetzt, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid. Der Stickstoff in der Luft verbrennt nicht mit, hat aber einen Anteil von über 70 %, der Rest teilt sich Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Überwiegt jetzt Kohlendioxid tritt Entkohlung ein, überwiegt Kohlenmonoxid kommt es zu Aufkohlung.

Also, habe ich ein Holzkohlenfeuer und blase dort Luft hinein kommt es auf die Menge der Luft an, die durch das Feuer streicht. Das Verhältnis Kohlenmonoxid/Kohlendioxid wird dadurch reguliert, je heißer desto mehr neigt sich das Vehältnis zu Kohlendioxid, was zur Entkohlung führt, je weniger Luft, desto mehr Kohlenmonoxid, was zumindest kohlenstofferhaltend ist, oder sogar zur Aufkohlung führen kann.

Wenn einer das haarklein nachlesen will, bei Verhoeven und Rapatz wird er fündig, dort ist alles bestens erklärt, wobei ich die Ausführungen von Herrn Verhoeven ein wenig praxisorientierter finde, aber das ist subjektiv.



Wenn wir jetzt einmal die Theorie verlassen und uns einen japanischen Schwertschmied bei der Arbeit ansehen (bei yt gibts ja genug Filmchen dazu). Diese benutzen ein Holzkohlenfeuer, die Holzkohlen sind ziemlich klein, das Holzkohlenfeuer dagegen sehr groß. Man hat also ein sehr großes Glutbett aus dicht an dicht liegenden kleinen Kohlenstücken, was eine gehörige Menge an Temperatur hat. Dadurch, dass Holzkohle leichter und länger brennt als Steinkohle und dicht an dicht liegt, benötige ich logischerweise nicht soviel Gebläseluft wie ein Steinkohlenfeuer, und auch die Verweildauer im großen Feuer ist kürzer als in einem kleinen Feuer. Also arbeitet der Herr japanische Schmied unter optimalen Bedingungen um den Stahl schonend zu bearbeiten und Entkohlung zu vermeiden. Ein Vorteil, der gerade bei langen Klingen, die oftmals erwärmt werden müssen von tragender Bedeutung ist.



Jetzt versteht sich auch, warum die Lehrbuben bei den japanischen Meistern so oft die groben Holzkohlestücke zerkleinern müssen.



Den Exkurs bitte ich zu entschuldigen, ist er doch ein wenig am Kernthema vorbei geglitten. Aber, wenn man als Schmied in frühen Zeiten allen alles so einfach erlärt hätte, dann hätte es ja jeder machen können und beim Herrn Schmied wäre öfter Brotsuppe auf den Tisch gekommen als Schinken. Da tut es schon gut, wenn man ein paar Märchen erzählt, und sich insgeheim ins Fäustchen lacht.



Viele Grüße

Roman

ps: tut mir leid, Eure Beitrage kamen in der Zeit, in der ich am schreiben war.
Kuhhorn, das ist der Aufhänger. Aufkohlung ist ja früher schon mit Hornspänen gemacht worden, falls ich da etwas falsch in Erinnerung habe, bitte berichtigen.
Also, was die Schnelligkeit von Kohlenstoffatomen betrifft, auch bei Verhoeven niedergeschrieben. Bei Raumtemperatur braucht ein Kohlenstoff im Austenit Jahre um seinen Platz zu wechseln, allerdings ändert sich das enorm bei 925 Grad Celsius, bei dieser Temperatur kann ein Kohlenstoffatom so schnell seinen Platz wechseln, dass es unvorstellbar ist, in einem Austenitkorn kann es zwischen zwei benachbarten Lücken in einer Sekunde cirka 1,8 Milliarden mal seinen Platz wechseln. Herr Verhoeven spricht von der Kohlenstoffdiffusion an der Trennstelle zwischen Holzkohle und Stahl, wobei man das ja auch auf das Horn übertragen kann. Um ihn zu zitieren, "Bei 925 Grad Celsius ist es möglich, Kohlenstoffatome schnell in das reine Eisen diffundieren zu lassen. Der Kohlenstoffgehalt steigt an der Trennfläche zur Holzkohle auf den maximal möglichen Gehalt in Austenit an, nämlich 1,3 %"
Belegen kann ich das mit dem Kuhhorn jetzt nicht, aber denkbar ist es.
Zuletzt bearbeitet: 16. Juni 2017 um 10:04, Roman Mertes
16. Juni 2017 um 11:43
Guten Tag,
sorry, man sollte morgens nicht schreiben, wenn noch etwas dazwischen kommen kann.

Also, ich anworte mir selbst, bzw. noch ein paar Sätze zum Kuhhorn.

Natürlich kann Kohlenstoff von außen in den Stahl eindringen, es wird nur im vorliegenden Fall an der Zeit scheitern. Auch hier hilft uns Herr Verhoeven weiter, also, wir haben einen Diffusionsweg von 1 mm, ein Molybdänatom braucht für diese Strecke bei 1150 Grad Celsius 1,6 Jahre, dahingehend sind die Kohlenstoffatome erheblich schneller, bei gleichem Weg und gleicher Temperatur benötigt das Kohlenstoffatom 18 Minuten, bei einer Härtetemperatur von 820 Grad Celsius dahingehend 9,3 Stunden.

Im Umkehrschluss, das Abreiben eines Stück glühenden Stahls mit einem Stück Horn erzeugt außer Gestank eigentlich nichts.

Viele Grüße
Roman
16. Juni 2017 um 18:46

Servus Roman

 Danke für deine Ausführungen z. Thema härten in Wasser mit und ohne Salz und zur Kohlenstoffdiffusion.

Du erklärst uns in verständlichen Worten und Zahlen wie das funktioniert.

Das aufkohlen usw. funktioniert wussten ja unsere altvorderen auch schon und haben es einfach getan. Heute kann mans auch mit Zahlen und Fakten belegen.

Danke nochamoi

 

Walter

 

 

 

 

Zuletzt bearbeitet: 16. Juni 2017 um 19:22, walter dorfer
16. Juni 2017 um 19:15
Ich kann mich Walter nur anschließen, sehr schöne Ausführung dazu und für  Jemanden wie mich, der sich mit trockener Materie schwer tut, sehr gut erklärt und was wichtig ist, ich habe es vollständig durchgelesen und nicht überflogen.

Gruß aus Nordhessen

Manfred

19. Juni 2017 um 14:11

Also wenn die auf warme Stahlstäbe wirklich Zwiebeln, Schmalz, Salz und sowas gepackt ahben, dann haben die wohl das moderne Grillen nebenbei erfunden.